RECLAIMING DEMOCRACY
20. Oktober 2018, 16 bis 21 Uhr
MUT ZUR VERGANGENHEIT
Robert Misik
Robert Misik, Journalist, Publizist, Buchautor, lebt in Wien. Jüngste Buchveröffentlichung: Liebe in Zeiten des Kapitalismus, Wien, 2018. Kurator am Bruno Kreisky Forum in Wien. Theaterarbeit, etwa gemeinsam mit Milo Rau in Zürich („Zürcher Prozesse“) und zuletzt bei den Wiener Festwochen 2017 („Agora“). Ausstellungsmacher, zuletzt gemeinsam mit Harald Welzer, Kurator der Ausstellung Arbeit ist unsichtbar im Museum Arbeitswelt Steyr. Lehrtätigkeiten, etwa an der Humboldt-Universität in Berlin und an der Anton Bruckner Universität in Linz. Auszeichnungen u.a. Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik. https://misik.at.
STADTPLANUNG UND RADIKALE DEMOKRATIE. STRITTIGE SETZUNG, SELBSTDISTANZIERUNG, POPULAR AGENCY
Gabu Heindl
In Theorien zu Postfundamentalismus und radikaler Demokratie betont das Konzept Kontingenz zweierlei: zum einen den stets prekären Charakter sozialer Ordnung, zum anderen die Unumgänglichkeit immer neuer Handlungen der Gründung sozialer Ordnung(en); woraus folgt, dass diese Ordnungen aus Streithandlungen hervorgehen und strittig bleiben. In diesem Zusammenhang verwende ich den Begriff Setzung; dessen Bedeutungsspektrum umfasst Positionierung, Einrichtung, weiter Richtung Siedlung („settlement“) und Sedimentierung bis hin zu einer planerischen Setzung und zum Gesetz als (juridisch) ausformulierter Regelung. In demokratischen Kämpfen um öffentlichen Raum ist dezidierte Setzung von entscheidender Bedeutung angesichts hegemonialer Machtformationen, die ihrerseits „unsettling“ sind, indem sie die Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissen und Lebensweisen durchsetzen, sozialstaatliche Sicherungen abschaffen und – näher am Kernthema der Planungsfragen – dem Kapital die Stadt als Spielwiese eröffnen. In einer solchen postfordistischen Situation, hält das Konzept des Operierens mit starken planerischen Setzungen im Rahmen demokratischer, gegenhegemonialer Strategien seine Nahverbindung mit der Politik-als-Kontingenz aufrecht, denn: Setzung bleibt strittig, offen für Bestreitungen – während die geschmeidigen Normungen des Postfordismus und Neoliberalismus der Möglichkeit, dass sie bestritten werden könnten, grundsätzlich ausweichen. Ein radikaldemokratischer Zugang zur Stadtplanung kann natürlich keinesfalls allein auf Regulierungen setzen, die Commons gegen Kapitalisierung in Schutz nehmen. Vielmehr müssen solche Setzungen in Verbindung treten – und das geschieht oft auf komplexe und konflikthafte Weise – mit popular agency: mit demokratischen politischen Initiativen, die etwa aus sozialen Bewegungen entstehen. Ich werde diese Punkte ausführen in Hinblick auf rezente Kämpfe gegen Kapitalisierung von öffentlichem Raum in Wien. In diesem Kontext dient ein Nichtbebauungsplan, den ich mitverfasst habe, als Setzung zur öffentlichen Geltendmachung eines Konflikts und Artikulation von Protest seitens einer bottom-up-Bewegung in der Stadt. (Gabu Heindl)
Gabu Heindl arbeitet als Architektin und Stadtplanerin an Praxis-basierter Theorie und Theorie- basierter Praxis. Seit 2018 ist sie Visiting Professor an der Sheffield University, zudem lehrt sie an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. Studium der Architektur in Wien, Tokio und Princeton. Seit 2007 Architekturbüro GABU Heindl Architektur mit Schwerpunkt auf öffentliches Bauen, öffentlichen Raum und kollaborative Bauvorhaben. Internationale Ausstellungs-, Vortragstätigkeit und Publikationen (u.a. in JAE, Volume, dérive, ERA21 uvm.), Herausgeberin von Arbeit Zeit Raum. Bilder und Bauten der Arbeit im Postfordismus (turia+kant, 2008) und Building Critique, spectorbooks (erscheint 2018). Zahlreiche Kuratierungen von interdisziplinären Veranstaltungen und Ausstellungen, u.a. 2013-2017 als Vorsitzende der Österreichischen Gesellschaft für Architektur. Seit 2017 im Vorstand der Wienwoche. Künstlerische, architektonische und städtebauliche Projekte im Spannungsfeld von Geschichtspolitik bis radikaldemokratischer Stadtentwicklung.
Begrüßung und Einführung
Luisa Ziaja
Lesung
Robert Misik, Mut zur Verwegenheit
Vorträge und Diskussion
Gabu Heindl, Stadtplanung und radikale Demokratie. Strittige Setzung, Selbstdistanzierung, popu- lar agency
Nora Sternfeld, Das radikaldemokratische Museum
moderiert von Luisa Ziaja
Im Anschluss Drinks und Snacks von Schorsch Böhme.