RECLAIMING DEMOCRACY

21. Oktober 2018, 15 bis 18 Uhr

GLIMPSE

Artur Żmijewski

Glimpse zeigt das Leben in vier europäischen Flüchtlingslagern, darunter der „Dschungel“ in Calais. Der Stil erinnert an ethnografische Filme und Propagandakino aus dem frühen 20. Jahrhundert: Männer und Familien sind unmittelbar und kompromisslos in Schwarz-Weiß auf 16mm-Filmmaterial gebannt. (IFF Rotterdam)

Ob „gesellschaftliche Experimente“ oder „inszenierte Dokumentation“, das Ziel dieser widersprüchlichen Aktivitäten ist es einerseits, die Teilnehmenden aus ihren gewohnten Reaktions- und Identifikationsmustern herauszureißen, andererseits aber auch, als Algorithmus, eine bestimmte (künstlerische) Wirkung zu erreichen. Kontrovers und beunruhigend präsentieren sich Żmijewski’s Arbeiten als Wahrnehmungsinstrumente, die dazu angetan sind, Diskussionen anzuregen. (Marta Dziewańska)


Artur Żmijewski wurde 1966 in Warschau geboren, wo er lebt und als bildenden Künstler arbeitet. Auf den ersten Blick erscheinen seine Filme und Videos streng dokumentarisch, dann offenbaren sie jedoch den analytischen Gestus des Künstlers. Oft thematisiert Żmijewski Entfremdungsprozesse und versucht, gesellschaftliche Traumata durch radikal anmutende „Versuchsanordnungen“ mit seinen Portagonist_innen frei zulegen.


AGGREGAT

Marie Wilke

Gedreht wurde in den Jahren 2016 und 2017. Drehorte waren die Redaktionen der Bild-Zeitung und der taz, das ARD-Hauptstadtstudio und der MDR, Konferenzräume im Bundestag, Marktplätze in Dresden und Gaststätten in Sachsen. Der Film zeigt Fragmente aus einem Land im Umbruch: Politiker üben in der Gruppe körperliche Abwehrtaktiken und wie sie mit Menschen sprechen sollen, die sagen: „Die kriegen alles und wir nichts.“ In einer Redaktionskonferenz der Bild-Zeitung geht es um syrische Straftäter und Kaffeefahrten. Eine Kunstführung im Reichstag beschäftigt sich mit der Skulptur „Tisch mit Aggregat“ von Joseph Beuys. Ein Fernsehbeitrag des MDR über Rechtspopulismus wird geschnitten. Eine Menge ruft: Volksverräter. Lügenpresse. (Marie Wilke)


Nüchtern und unaufgeregt versammelt Aggregat scharfsinnig beobachtete und angeordnete Szenen aus dem aktuellen politischen und medialen Alltag in Deutschland. Die Kamera ist konzentriert und lässt sich nicht ablenken, die Montage operiert mit Schwarzbildern und harten Schnitten. Die nicht verbundenen Fragmente zeigen unkommentiert Situationen, die Vermittlung von Politik oder Kommunikation über Gesellschaft betreffen. Dabei geraten die Rolle der Medien als vierte Gewalt und diverse die Berichterstattung prägende Kriterien genauso in den Blick, wie der Eindruck entsteht, dass es noch viel Kleinarbeit brauchen wird, um die große demokratische Idee zu bewahren. (Berlinale 2018)


Marie Wilke, geboren 1974 in Berlin, studierte sie an der Schule für Dokumentarfilm, Fernsehen und Neue Medien ZeLIG in Bozen (Italien) und absolvierte ein Studium der Experimentellen Mediengestaltung an der Universität der Künste Berlin. Marie Wilke ist als Autorin, Regisseurin und Editorin für Dokumentarfilm und Fernsehen sowie als freiberufliche Dozentin an verschiedenen Filmschulen und Instituten für Regie und Stoffentwicklung tätig. Filmografie (Auswahl): Con anima e corpo (Kurzfilm, 2000), Berlin eins dunkel (2005), Staatsdiener (2015)


Dominik Kamalzadeh, geboren 1973 in Wien, ist Kulturredakteur der österreichischen Tageszeitung Der Standard und gehört zum Redaktions-Kollektiv des halbjährlich erscheinenden Magazins kolik film. Er arbeitet gelegentlich auch als Kurator.


Begrüßung und Einführung

Claudia Slanar


Filmvorführung

Artur Żmijewski, Glimpse, DE 2016–17, ca. 20 Min., Schwarzweiß, ohne Ton

Marie Wilke, Aggregat, DE 2018, 92 Min., OF mit engl. UT

Im Anschluss Marie Wilke im Gespräch mit Gastkurator Dominik Kamalzadeh


GLIMPSE

Artur Żmijewski


AGGREGAT

Regie, Buch: Marie Wilke

Kamera: Alexander Gheorghiu

Schnitt: Jan Soldat, Marie Wilke

Ton Sounddesign: Uwe Bossenz

Produktion: Kundschafter Filmproduktion, ZDF – Das kleine Fernsehspiel