1968/2018 – WHERE HAS ALL THE SPIRIT GONE?

30. Mai 2018, 19 bis 21 Uhr

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Wiederum Archivmaterial, wiederum die Frage nach dem Blick und der filmischen Repräsentation von Flucht- und Migrationsbewegungen aus drei sehr unterschiedlichen Perspektiven: „Am Abend des 3. September wurden wir auf der Helios, dem Donau-dampfer, eingeschifft.” So unschuldig wie ein Bericht von einer Vergnügungsreise beginnt Lisl Pongers Passagen. Auf der Bildebene zeigt sich von aufmerksamen Tourist_innen gedrehtes Material, das sich vorerst mit dem Gesagten im Einklang befindet. Mit der  Zeit werden die Erzählungen jedoch weniger euphorisch, es geht um das erzwungene Verlassen von Heimat und von Vertrautem. Die Annäherung an die Fremde jedoch erfolgt durch den Blick und die „Bildmaschine“, die staunt, aneignet und nicht zuletzt exotisiert. Das latente Begehren der Besitzergreifung durch die Bildproduktion thematisiert auch Rafał Morusiewicz in Uprooting Ghosts: A Queer “Fantasia on National Themes“. Er verbindet darin polnische und ungarische Spielfilme aus den späten 1960er und frühen 1970er Jahren, die er in einer queeren Lesart gegen den Strich anti-semitischer und nationalistischer Propaganda bürstet. Durch selbst-reflexive, autobiografische Bezüge auf der Textebene „verseucht“ Morusiewicz das Material, schreibt sich und eine Gegen-geschichte darin ein. Die Blicklust verschränkt sich mit jener, endlich gesehen zu werden! Diese Frage nach der Lesart von Bildern – sei es gefundenes oder selbstgedrehtes Material wie bei Farah Kassem – stellt sich auch in Nettoyer Schaerbeek/Cleaning Schaerbeek. Darin interpretiert die Erzählerin die scheinbar harmlosen Vorgänge vor ihrem Fenster im Sinne einer von terroristischer Paranoia dominierten, restriktiven Einwanderungspolitik. Als alarmierte Bürgerin meldet sie die Geschehnisse den zuständigen Behörden, doch am Ende ist nicht mehr so klar, woher die angebliche „Bedrohung“ kommt. CS

KURZFILMPROGRAMM


Einführung

Claudia Slanar (Kuratorin Blickle Kino und Videoarchiv)


Filmvorführung

Lisl Ponger, Passagen, AT 1996, 12 min, OmeU

Rafał Morusiewicz, Uprooting Ghosts: A Queer “Fantasia on National Themes”, AT/PL 2017, 44 min, OmeU

Farah Kassem, Nettoyer Schaerbeek, Libanon/B 2017, 19 min., OmeU


Im Anschluss Farah Kassem (Filmemacherin, Brüssel/Beirut) und Rafał Morusiewicz (Künstler, Film- wissenschaftler, Wien/Warschau) im Gespräch mit Claudia Slanar.


PASSAGEN

Regie: Lisl Ponger,

Sprecher_innen: André Mavazo, Ornella Goria, N.I. Amra P., Maria Förster, Ana Schey, Fred Wander, Vamira Vazquez Katharina Beer, Le Dinhan, Adi Sitzmann


UPROOTING GHOSTS

Konzept und Realisation: Rafał Morusiewicz


NETTOYER SCHAERBEEK

Regie, Kamera, Ton, Schnitt: Farah Kassem

Musik: Yohan Dumas

Produktion: Farah Kassem, DocNomads