1968/2018 – WHERE HAS ALL THE SPIRIT GONE?

25. Mai 2018, 19 bis 22 Uhr

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Le Fond de l’air est rouge, „Rot liegt in der Luft“: Bereits der Titel des Fil von Chris Marker gibt dem Geist von 1968 einen Namen. Was dieses Rot im Einzelnen bedeutete, das im Jahrzehnt zwischen 1966 und 1977 in der Luft lag, rekonstruieren die folgenden gut 180 Minuten in all seiner Hetero-genität und Widersprüchlichkeit. Geht es doch um nichts geringeres, als das Gedächtnis dieses Geistes zu bewahren. (Vrääth Öhner)


Was ist ihnen gemein, diesen Bildern, die nach jedem beendeten Film in unseren Filmbüchsen herumliegen, diesen montierten Sequenzen, die zu irgendeinem Zeitpunkt aus dem Film herausgeschnitten wurden, den Outtakes, den non utilisées (NUs im Sprachgebrauch der Cutter)? Diese Frage war der Ausgangspunkt meines Films. Ich wollte anhand eines Themas, das mich beschäftigt (die Entwicklung der politischen Weltlage um 1967–70) herausfinden, was hinter der Verdrängung dieser Bilder steckt. Eine andere Art der Verdrängung wurde mir zufällig durch eine Fernseh-Koproduktion zugespielt: Bilder, die hier nun tatsächlich verwendet, montiert und ausgestrahlt wurden, jedoch durch die Tatsache, dass sie Teil von Nachrichtensendungen des Fernsehens waren, sofort vom Treibsand, auf dem diese Imperien gebaut sind, verschluckt wurden. Ein Ereignis wird von einem anderen weggefegt, Geträumtes wird durch Wahrgenommenes ersetzt, und schließlich fällt alles dem kollektiven Nicht-Erinnern anheim.  Es reizte mich, beide Arten der Verdrängung aufeinander wirken zu lassen, in der einen so etwas wie eine Erleuchtung der anderen zu suchen: die aus einem militanten Film herausgeschnittene – da zu widersprüchliche Aufnahme, die mit demselben Ereignis zusammenprallt, das «objektiv» von einer Bildagentur beschrieben wird. Das Zeichen oder der Aufschrei, der einem an dem Ereignis unbeteiligten Reporter entfährt, wird dem – mangels untermauernden Augenzeugenberichten – flachen politischen Kommentar gegenüber gestellt. Das sind meine Arbeitshypothesen. Die Antwort – eine Teilantwort – findet sich vielleicht im fertigen Film. […] Ich will nicht behaupten, dass mir ein dialektischer Film gelungen ist. Doch ich habe (nachdem ich zu meiner Zeit häufig genug die Machtausübung durch einen lenkenden Kommentar genutzt habe) zumindest dieses Mal versucht, dem Zuschauer durch die Montage „seinen“ Kommentar d.h. seine Macht wiederzugeben. (Chris Marker 1978, Vorwort zum Textbuch zu Le Fond de l’air et rouge)

Begrüßung

Stella Rollig (Generaldirektorin Belvedere und Belvedere 21)


Zur Veranstaltungsreihe

Luisa Ziaja (Kuratorin)


Filmvorführung

Chris Marker, Le Fond de l’air est rouge, F 1977/1993

Erster Teil: Les Mains fragiles, 89 Minuten, engl. F.


Einleitung

Vrääth Öhner (Film- und Medienwissenschaftler, Senior Scientist,

Ludwig-Boltzmann-Institut für Geschichte und Gesellschaft Wien)


LE FOND DE L’AIR EST ROUGE

Regie, Schnitt: Chris Marker

Kamera: Pierre-William Glenn, Willy Kurant

Musik: Luciano Berio

Sprecher_innen: Simone Signoret, Jorge Semprún, Davos Hanich,

Sandra Scarnati, François Maspero, Laurence Cuvillier, François Périer,

Yves Montand, Jean-Claude Dauphin

Produktion: Iskra, Les Productions Georges de Beauregard,

Institut National de l‘Audiovisuel (INA)