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REINVENTING UTOPIAN THINKING

22. September 2018, 15.30 bis 21 Uhr

DEMOCRACITY. DIE RADIKAL DEMOKRATISCHE STADT ALS KONKRETE UTOPIE

Elke Rauth

Während der autoritäre Rechtspopulismus vielerorts gedeiht, wächst in Städten weltweit die konkrete Utopie einer munizipalistischen Bewegung als demokratisches Hoffnungsprojekt und solidarische Antwort auf das globale Umverteilungskarussell. Ihr Ziel: Ein gutes Leben für Alle mittels umfassender Demokratisierung der Gesellschaft. Diese Radical Cities machen Politik nicht für, sondern mit den Menschen und erarbeiten politische Maßnahmen in öffentlichen Stadtteilversammlungen und unter breiter Beteiligung der Bevölkerung. Die politisch Verantwortlichen verstehen sich in der Ausübung ihrer Ämter nicht als Führungsfiguren, sondern als Ausführende einer breit verhandelten Willensbildung, die in den Nachbarschaften und Vierteln der Stadt entsteht. Munizipalistische Städte setzen dazu an, die Stadt von den Nachbarschaften aus zu verändern und die Welt von den Städten aus. Ihre Politik verortet die Themen im lokalen Alltag und verbindet sie in internationalen Städtenetzwerken zu globalen Strategien – gegen den Klimawandel, gegen die steigende Ungleichverteilung und für eine gerechtere Welt. So sehr die lokalen Anforderungen differieren, folgt der Munizipalismus einigen Kernprinzipien mit dem Ziel, die Transformation in eine postkapitalistische Zukunft einzuleiten. Chancengerechtigkeit und Menschenrechte sind ebenso tragende Pfeiler wie ökologisches und solidarisches Wirtschaften und die Ausdehnung der Commons, also umfassender Gemeingüter zur Erlangung eines guten Lebens für Alle. Der Hebel für diese Veränderung ist ein Re-Design der demokratischen Strukturen, das auf breite Beteiligung der Bevölkerung am Entwickeln von Lösungen für anstehende gesellschaftliche Fragen setzt. Der Aufbau von selbstorganisierten und selbstverwalteten Strukturen bildet eine der Strategien zur Stärkung des Gemeinwohls. Eine solche Struktur entsteht derzeit auch in Wien: Das solidarische Hausprojekt Bikes and Rails ist Teil des internationalen Netzwerks Mietshäuser Syndikat, dessen Ziel es ist, Häuser aus dem Immobilienmarkt freizukaufen, um sie als langfristig bezahlbare und solidarische Freiräume zu sichern. Change begins in the cities – und konkrete Utopien lauern bereits an jeder Ecke.


ZEITSCHLEIFEN. ZU PRE-ENACTMENTS UND REALEN UTOPIEN

Oliver Marchart

Der Vortrag untersucht die performative Praxis des künstlerischen Pre-enactments vor dem Hintergrund des erneuten Interesses an Utopien im politischen Aktivismus und in der politischen Theorie. Dieses Revival von Utopien scheint – und zwar jenseits des rein Utopischen – auf die Verengung des gesellschaftlichen Vorstellungshorizonts nach Jahrzehnten neoliberaler Herrschaft zu antworten. Aber welche Idee von Handlung oder enactment müsste solchen realen bzw. realisierbaren Utopien zugrunde liegen? Und wie lassen sich Zeitschleifen konstruieren zwischen Zukunft und Gegenwart?


UTOPIE UND MACHT

Barbara Blaha

Die Faktenlage ist altbekannt: Selbst im Kernland des Liberalismus, den USA, zeigen sämtliche Umfragen deutliche Mehrheiten für all das, was einen starken Wohlfahrtsstaat ausmacht: für leistungsfähige Sozialversicherungen, leistbares Wohnen, sichere Arbeitsverhältnisse, höhere Löhne, ein frei zugängliches Bildungssystem, existenzsichernde Renten usw. Dass wir von all dem mehr und mehr entfernt sind ist also nicht die Folge fehlender Visionen, sondern schlicht das Resultat gesellschaftlicher Machtverhältnisse. Weshalb aber ist ein gutes Leben in Geborgenheit trotz demokratischer Regime bislang für viele Menschen Utopie geblieben? Weil der Vision einer gerechten Gesellschaft reale Machtverhältnisse entgegenstehen. Die wahre Herausforderung wäre demnach, endlich vom Denken ins Tun zu kommen.


MEHR EUROPÄISCHE DEMOKRATIE WAGEN: WARUM EUROPA EIN REPUBLIK WERDEN MUSS!

Ulrike Guérot

Der Glaube an Europa, das ist zurzeit eine Wette mit hohem Einsatz. Die Europäische Union ist in ihrem jetzigen Zustand so gut wie nicht mehr zu halten, und die europäische Bevölkerung ahnt das. Die eine Hälfte der Bürgerinnen und Bürger will zurück in den Nationalismus; die andere Hälfte will mehr Europa, ein anderes, soziales, und demokratisches Europa, und will sich nicht mit einer verlorenen Wette zufriedengeben. Die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot skizziert in ihrem Vortrag einen möglichen Ausweg aus diesem Dilemma: die Europäische Republik. Die Idee der Republik ist von Aristoteles bis Kant das normale Verfassungsprinzip für politische Gemeinwesen. Republik heißt im Kern diejenigen, die beschließen, sich in den Zustand der Rechtsgleichheit zu begeben. Die Europäische Republik ist also die Idee, den allgemeinen politischen Gleichheitsgrundsatz für Europa anzuwenden. Denn momentan, in der EU als Rechtsgemeinschaft, sind zwar das Ölkännchen und die Glühbirne gleich unter EU-Recht, nicht aber die Bürgerinnen und Bürger Europas, die als eigentlicher Souverän in „nationale Rechtscontainer“ eingeteilt sind. Rechtgleichheit für Markt und Währung aber, ohne Rechtsgleichheit für Bürgerinnen und Bürger, kann das gutgehen? Die Legitimität der EU muss auf völlig neue Füße, die Teilhabe der europäischen Bürgerinnen und Bürger im politischen Prozess gesichert, Europa als ein Gemeinwesen gedacht werden: der kommende Brexit zeigt, dass es hierbei vor allem um die Frage einer europäischen Staatsbürgerschaft geht, die eine europäische Souveränität und mithin eine europäische Demokratie auf dem Grundsatz der Gewaltenteilung erst begründen könnte.

Vortrag

Elke Rauth, DemocraCity. Die radikal demokratische Stadt als konkrete Utopie


Gespräch

mit Christoph Draeger und Elke Rauth moderiert von Claudia Slanar


Vortrag

Oliver Marchart, Zeitschleifen. Zu Pre-enactments und realen Utopien

moderiert von Luisa Ziaja


Vorträge

Barbara Blaha, Utopie und Macht

und

Ulrike Guérot, Mehr europäische Demokratie wagen: Warum Europa eine Republik werden muss!

Im Anschluss Gespräch moderiert von Klaus Webhofer (angefragt)