After Audience. Eine Konferenz des eipcp im Rahmen des Projekts Midstream

9. Juni 2018, 11 bis 21.30 Uhr

Die europäische Sozialdemokratie des 20. Jahrhunderts wollte die „bildungsfernen Schichten“ zum Publikum der Hochkultur machen. Sozialer Aufstieg durch Bildung, Kultur für alle, und schließlich, als Wendung von der Rezeption zur Produktion: Kultur von allen. Um und nach dem translokalen 1968 kulminierten die Praxen, die diese Programme nicht nur im „Westen“ breit erprobten und alle möglichen Erfolge und Fehlschläge nach sich zogen, vom Bandkollektiv über die Kommune bis zur Auflösung der Kunst ins Leben. Irgendwann in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts kippte diese emanzipatorisch gemeinte Erzählung ins Dystopische. Die Partizipation wurde zum Imperativ, das Mitmachen zum Prinzip und die Selbst-Aktivierung zur Pflicht, um sich nicht völlig aus den medialen und selbstregierenden Netzen herauszunehmen. Das neoliberale Management wollte seinerseits das Publikum bis ins Letzte ausmessen und immer neue auszumessende Publika „erschließen“. Hier beginnt sich auch ein Kreis zu schließen: von der Audienz der hohen Kunst zum Audit, der Prüfung der Kennzahlen als neuer hoher Kunst.

Zuletzt hieß das Amalgam dieser sehr unterschiedlichen Politiken in der „Programmatik“ der EUropäischen Kulturpolitik: audience development.


Nach der Lüneburger Konferenz Publicum, die 2005 Fragen der Rezeption nicht nur in der Kunst vor allem durch das Prisma von Öffentlichkeitstheorien las, versucht das eipcp gemeinsam mit seinen Partnern nun ein weiteres Mal, die Entwicklung von Praxis und Begriff des Publikums zu hinterfragen. Die internationale Konferenz After Audience soll über Evidenz und Kritik des Partizipationsimperativs und des Quantifizierungswahns hinausgehen und Fragen stellen nach den Nachkommen der Figur, die einmal Publikum geheißen hat. Was ist in Zeiten des Imperativs der Partizipation aus der Figur des Publikums geworden? Wie wären ungefügig-aktive Kollektive des maschinischen Kapitalismus vorzustellen? Wie können wir an die Narrative und Praxen um 1968 anschließen, die nicht zuletzt feministische, antikoloniale und antikapitalistische Praxen waren? Welche Potenzialitäten können wir heute technopolitischen Aspekten in diesen Fragen zuschreiben? Wie lässt sich anstelle des publicum als bürgerlicher Öffentlichkeit heute eine neue Figur der technökologischen Mitte konzeptualisieren, als Subjektivierungsweise, die über die Unterscheidung von Produktion und Rezeption hinausgeht und zugleich eine neue emanzipatorische Wendung erlaubt?



Eine Veranstaltung des eipcp im Rahmen von Midstream in Kooperation mit Belvedere 21.

Midstream ist ein gemeinsames Projekt von eipcp (Wien), LCCA - Latvian Centre for Contemporary Art (Riga) und

Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía (Madrid).

Begrüßung und Einführung

Monika Mokre (Österreichische Akademie der Wissenschaften)

Luisa Ziaja (Belvedere, Wien)


After Audience

Manuel Borja-Villel (Museo Reina Sofía, Madrid)

Stella Rollig (Belvedere, Wien)


After Experience

Boris Buden (eipcp permanent fellow)

Solvita Krese (Latvian Centre for Contemporary Art Riga)


After Resistance

Christoph Brunner (Universität Lüneburg)

Kelly Mulvaney (University of Chicago)


After Production (of Your Own Satisfaction)

Brigitta Kuster (Humboldt-Universität Berlin)

Stefan Nowotny (Goldsmiths, University of London)


After Representation Before Study

Isabell Lorey (Universität Kassel)

Ruth Sonderegger (Akademie der bildenden Künste Wien)


After e-flux

Lucie Kolb (Hochschule für Gestaltung und Kunst Basel)

Gerald Raunig (Zürcher Hochschule der Künste)

Video zur Session "After Audience. Stella Rollig im Gespräch mit Manuel Borja-Villel"